Diese textilen Arbeiten flankieren Schwarz-Weiß-Fotografien, die inszenierte Stillleben mit Metall-Mèche (Metallfäden) zeigen. Sie entstanden nach der Trennung von Ritzi Jacobi Mitte der 1980er-Jahre. Die im aufwendigen Barytabzug entstandenen Fotografien faszinieren durch die in jeder Nuance von Licht und Schatten herausgearbeiteten Materialpräsenz inszenierter, fremdartig wirkender Objekte, die wie Fetische erscheinen: etwa an Haken aufgehängte Bündel hauchdünner Metallfäden, die an abgeschnittenes Haar denken lassen.
Westwall
1979
Ab 1979 wendet sich Peter Jacobi der Schwarz-Weiß-Fotografie zu. Der Einsatz der Fotografie ist in seinem Werk gleichwohl kein Bruch.
Zusammen mit der bildhauerischen Tätigkeit dient die Fotografie als Leitfaden für sein gesamtes thematisches Universum. Beide Medien sind bei ihm inhaltlich untrennbar miteinander verknüpft. Drei Jahre lang beschäftigt er sich mit den heute noch sichtbaren Spuren des Westwalls: dem von Hitler ab 1936 geplanten und zwischen 1938 und 1940 unter enormem Aufwand errichteten militärischen Verteidigungssystem an der Westgrenze des deutschen Reiches, das aus Bunkern, Gräben und Panzersperren bestand. Die Schwarz-Weiß-Fotografien leben, ebenso wie die Oberflächen der zuvor beschriebenen Marmorreliefs, von der Präsenz intensiver Lichtfülle und Schattentiefe.
In den Westwall-Fotos geht es dem Künstler darum, Zeit, Zeitlosigkeit, Vergangenheit und Gegenwart noch einmal neu zu fassen und eine ästhetische Form zu geben. Sie haben daher nur in zweiter Linie dokumentarischen Charakter. Die Motive und Ausschnitte sind so gewählt, dass die Überreste des Kriegsmordens wie Objekte der Land-Art und Minimal-Art aussehen und eine über das Dokumentarische hinausgehende Ästhetik entwickeln. Diese brachialen Architekturen der Gewalt und Zerstörung in der Landschaft sind mit den Jahrzehnten von der Vegetation wieder eingeholt und überwuchert worden. In den Fotografien wirken sie ruhevoll, schön, harmonisch. Die Zeit hat sie quasi wieder geglättet. Der künstlerische Blick von Peter Jacobi erweckt ihre plastische Qualität. Mittels des subjektiven fotografischen Ausschnitts, in den Gestaltungselemente von Licht, Raum und Sichtweise interpretativ mit eingehen, lenkt er die Wahrnehmung wieder auf die der Natur fremden Formen und die historischen Zeitabdrücke, um auch Jahrzehnte später die Erinnerung daran wachzuhalten.
Der Umgang mit den Traumata der Vergangenheit, mit dem historischen Wissen und der Erinnerung, den der Künstler in der Reihe der Westwall-Fotografien thematisiert, steht auch im Diptychon Drehscheibe für Lokomotiven vom Anhalter Bahnhof Berlin im Fokus siehe oben. Bis zum Zweiten Weltkrieg pulsierender Knotenpunkt des europäischen Eisenbahnverkehrs, vergegenwärtigen heute nur noch die Überreste des Portikus den einst bedeutenden Bau. Als Mahnung an Krieg und Zerstörung erinnert Jacobis Diptychon aber auch daran, dass vom Anhalter Bahnhof aus ab 1942 knapp 10.000 Berliner Juden in das Vernichtungslager Theresienstadt deportiert wurden. Das Schöne in diesen sehr stillen Fotos verweist auf sein Anderes: die Vergänglichkeit, den Schrecken und den Tod.
Überhaupt ist das Schöne eine Kategorie, die bei Peter Jacobi immer wieder gegenwärtig ist. Das gilt auch für die im Verfall begriffenen Siebenbürgischen Wehrkirchen, von denen die Ausstellung ausgewählte Arbeiten zeigt.
Lokomotiven-Drehscheibe,
Anhalter Bahnhof
Dyptichon, Barythfotografie
Berlin 1983
Dyptichon, Barythfotografien
Berlin 1983
Dyptichon, Barythfotografien
Berlin 1983
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