Peter Jacobi

Siebenbürgische Wehrkirchen

Aufnahmezeit 2004-2017

Stilleben mit siebenbürgischen Artefakten

130 x 95cm Digitaler Print in Holzkassette

Revolutionsfahne von 1989 mit Wandteppich von ca 1924 mit rumänischen Vornamen. Die Weberin ist mit der Orthografie nicht zurechtgekommen.
Objekte in den verlassenen Kirchen aufgefunden. Feldflasche aus dem 1. Weltkrieg, Nageltasche, Kamm zum Hanfbearbeiten, Steinernes Uhrgewicht, Evangelische Gesangsbücher, und Ofenkachel

Westwall

1979

Bilder der Metamorphosen

Peter Jacobi sagt über seine Fotografien, dass sie „der intellektuelle Hintergrund für seine Skulpturen“ seien – als wolle er ihnen sofort eine Referenz geben, indem er sie in sein Gesamtwerk integriert, und gleichzeitig andeuten, dass sie kein Recht hätten, für sich allein zu existieren. Denn es stimmt, dass uns die Bedeutung zunächst nicht erscheint: Auf den ersten Blick zeigen sie uns eine nüchtern inventarisierte Realität in ihrer objektiven Banalität, reduziert gewissermaßen auf ihr bloßes Erscheinungsbild.

Doch nach diesen ersten Minuten, während der Blick die Bildserien durchwandert und die Zeit vergeht, entfaltet sich diese zunächst uniforme Realität und offenbart ihre Vielfalt; sie findet ihren Sinn. Vereinzelte Überreste in einer Naturlandschaft, kreisförmige Spuren alter, aufgegebener Gleise, aufgetürmte Steine, Zementquader, vom Grün überwuchert – es sind vergessene, verlassene Objekte, die unsere Erinnerung wachrufen. Und diese Bilder, die uns anfangs in die Falle einer Realität lockten, die uns am Imaginieren hindern wollte, zeigen uns nun, dass die Zeit zwar vergangen ist, aber ihre Spuren hinterlassen hat – oft zufällig, oft unbemerkt oder geradezu unmerklich. Peter Jacobi spricht mit großer Präzision: Hier sind es die Reste eines Bunkers, dort eine Panzerabwehrlinie. Dieser referenzielle Aspekt – Wasser, das beim Bau eines Kriegsschutzraumes verwendet wurde – ist eine Spur, ein Fragment der Menschheitsgeschichte, das uns durch seine bloße Erwähnung plötzlich einen Moment zurückruft, der noch nicht ganz vergangen ist. Trümmer des Dritten Reichs, noch deutlich sichtbar auf Jacobis Fotografien, bringen uns durch das Feuer und die Bäume hindurch eine Spur näher. Sie scheint inmitten dieses geschichtsträchtigen, blutgetränkten Ortes so klar, dass das Steingewirr sich in einen Fluss oder einen Grabhügel verwandelt: Es ist die Archäologie der Zeit, eine Epoche, die uns vor Augen geführt wird. Aber die Zeit bleibt nicht stehen, denn auf einem von Zivilisationsresten geprägten Raum entsteht ein neues Gebäude, an dessen Fuß ein brachliegendes Gelände Kinderbanden als Spielplatz dient.

In jedem Bild ist das Zeichen immer da: Es verblasst kaum, erscheint wieder, wächst, wird stärker – um dann erneut zu verschwinden. Es haucht diesen Fotografien Leben ein, sie beginnen zu atmen.

Ich überlasse es Peter Jacobi, zu behaupten, dass all diese Bilder nur durch seine Skulptur lebendig werden. Für mich jedoch haben sie einen eigenen Sinn, der nur ihnen gehört: Auch wenn ihre Konzeption mit seinem Werk verbunden ist und allein die Fotografie so treffend beschreiben kann, was Metamorphose ist. Etwas, das wie ein Dokument inventarisiert – das fotografische Bild, in Serien geschaffen, bringt eine Realität ans Licht, die trotz ihres Anscheins etwas anderes wird.

Die Räume in Peter Jacobis Fotografien sind bevölkert von den Geistern der Zeit, die seine Erinnerung wieder zum Leben erweckt hat.

Françoise Marquet
Konservatorin für Fotografie, 1984, im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris
Katalog des Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris
Ausstellung Ritzi Jacobi — Peter Jacobi Tapisserie Skulptur Fotografie, 1984

Ab 1979 wendet sich Peter Jacobi der Schwarz-Weiß-Fotografie zu. Der Einsatz der Fotografie ist in seinem Werk gleichwohl kein Bruch.

Zusammen mit der bildhauerischen Tätigkeit dient die Fotografie als Leitfaden für sein gesamtes thematisches Universum. Beide Medien sind bei ihm inhaltlich untrennbar miteinander verknüpft. Drei Jahre lang beschäftigt er sich mit den heute noch sichtbaren Spuren des Westwalls: dem von Hitler ab 1936 geplanten und zwischen 1938 und 1940 unter enormem Aufwand errichteten militärischen Verteidigungssystem an der Westgrenze des deutschen Reiches, das aus Bunkern, Gräben und Panzersperren bestand. Die Schwarz-Weiß-Fotografien leben, ebenso wie die Oberflächen der zuvor beschriebenen Marmorreliefs, von der Präsenz intensiver Lichtfülle und Schattentiefe.

 In den Westwall-Fotos geht es dem Künstler darum, Zeit, Zeitlosigkeit, Vergangenheit und Gegenwart noch einmal neu zu fassen und eine ästhetische Form zu geben. Sie haben daher nur in zweiter Linie dokumentarischen Charakter. Die Motive und Ausschnitte sind so gewählt, dass die Überreste des Kriegsmordens wie Objekte der Land-Art und Minimal-Art aussehen und eine über das Dokumentarische hinausgehende Ästhetik entwickeln. Diese brachialen Architekturen der Gewalt und Zerstörung in der Landschaft sind mit den Jahrzehnten von der Vegetation wieder eingeholt und überwuchert worden. In den Fotografien wirken sie ruhevoll, schön, harmonisch. Die Zeit hat sie quasi wieder geglättet. Der künstlerische Blick von Peter Jacobi erweckt ihre plastische Qualität. Mittels des subjektiven fotografischen Ausschnitts, in den Gestaltungselemente von Licht, Raum und Sichtweise interpretativ mit eingehen, lenkt er die Wahrnehmung wieder auf die der Natur fremden Formen und die historischen Zeitabdrücke, um auch Jahrzehnte später die Erinnerung daran wachzuhalten.

Der Umgang mit den Traumata der Vergangenheit, mit dem historischen Wissen und der Erinnerung, den der Künstler in der Reihe der Westwall-Fotografien thematisiert, steht auch im Diptychon Drehscheibe für Lokomotiven vom Anhalter Bahnhof Berlin im Fokus siehe oben. Bis zum Zweiten Weltkrieg pulsierender Knotenpunkt des europäischen Eisenbahnverkehrs, vergegenwärtigen heute nur noch die Überreste des Portikus den einst bedeutenden Bau. Als Mahnung an Krieg und Zerstörung erinnert Jacobis Diptychon aber auch daran, dass vom Anhalter Bahnhof aus ab 1942 knapp 10.000 Berliner Juden in das Vernichtungslager Theresienstadt deportiert wurden. Das Schöne in diesen sehr stillen Fotos verweist auf sein Anderes: die Vergänglichkeit, den Schrecken und den Tod.

Überhaupt ist das Schöne eine Kategorie, die bei Peter Jacobi immer wieder gegenwärtig ist. Das gilt auch für die im Verfall begriffenen Siebenbürgischen Wehrkirchen, von denen die Ausstellung ausgewählte Arbeiten zeigt.

Lokomotiven-Drehscheibe,

Anhalter Bahnhof

Dyptichon, Barythfotografie

Berlin 1983

Anhalter Bahnhof

Dyptichon, Barythfotografien

Berlin 1983

Anhalter Bahnhof

Dyptichon, Barythfotografien

Berlin 1983

Wallberg

1980-2000

Text folgt

Stauffenberg Gedenkskulpturen

„Selbst zwischen Himmel und Erde; warte hier, ich käme zurück“

Gedenkskulptur von Claus Schenck Graf von Stauffenberg

Granit, Panzerglas, Wasser

100 x 150 x 460 cm

Skulpturenhof Peter Jacobi

Gedenkskulptur von Claus Schenck Graf von Stauffenberg

Stahlröhre, Betonschacht, Wasser 

150 x 150 x 500 cm

Skulpturenhof Peter Jacobi

 

Autonome Fotografienen entnommen aus den Stauffenberg Skulpturen

„Selbst zwischen Himmel und Erde; warte hier, ich käme zurück“

Digitale Drucke in verschiedenen Formaten in Holzkassetten. Diese Fotografien sind entnommen aus den Stauffenberg Gedenkskulpturen, die Sie hier anschauen können:

Metallmeche

1993

II.

Diese textilen Arbeiten flankieren Schwarz-Weiß-Fotografien, die inszenierte Stillleben mit Metall-Mèche (Metallfäden) zeigen. Sie entstanden nach der Trennung von Ritzi Jacobi Mitte der 1980er-Jahre. Die im aufwendigen Barytabzug entstandenen Fotografien faszinieren durch die in jeder Nuance von Licht und Schatten herausgearbeiteten Materialpräsenz inszenierter, fremdartig wirkender Objekte, die wie Fetische erscheinen: etwa an Haken aufgehängte Bündel hauchdünner Metallfäden, die an abgeschnittenes Haar denken lassen.

Erdfenster

1996

bild folgt

Ausbildungsplatz für Rettungshunde

1996

Stilleben mit Teeblättern, auf kalkigem Wasser schwimmend

2022

Inspiriert am Wasserläufer

Druck auf Archiv-Barytpapier, verschiedene Größen

Looking at Pablo Picasso and Francis Bacon

Gäste im Atelier

1984/85