Bilder der Metamorphosen
Peter Jacobi sagt über seine Fotografien, dass sie „der intellektuelle Hintergrund für seine Skulpturen“ seien – als wolle er ihnen sofort eine Referenz geben, indem er sie in sein Gesamtwerk integriert, und gleichzeitig andeuten, dass sie kein Recht hätten, für sich allein zu existieren. Denn es stimmt, dass uns die Bedeutung zunächst nicht erscheint: Auf den ersten Blick zeigen sie uns eine nüchtern inventarisierte Realität in ihrer objektiven Banalität, reduziert gewissermaßen auf ihr bloßes Erscheinungsbild.
Doch nach diesen ersten Minuten, während der Blick die Bildserien durchwandert und die Zeit vergeht, entfaltet sich diese zunächst uniforme Realität und offenbart ihre Vielfalt; sie findet ihren Sinn. Vereinzelte Überreste in einer Naturlandschaft, kreisförmige Spuren alter, aufgegebener Gleise, aufgetürmte Steine, Zementquader, vom Grün überwuchert – es sind vergessene, verlassene Objekte, die unsere Erinnerung wachrufen. Und diese Bilder, die uns anfangs in die Falle einer Realität lockten, die uns am Imaginieren hindern wollte, zeigen uns nun, dass die Zeit zwar vergangen ist, aber ihre Spuren hinterlassen hat – oft zufällig, oft unbemerkt oder geradezu unmerklich. Peter Jacobi spricht mit großer Präzision: Hier sind es die Reste eines Bunkers, dort eine Panzerabwehrlinie. Dieser referenzielle Aspekt – Wasser, das beim Bau eines Kriegsschutzraumes verwendet wurde – ist eine Spur, ein Fragment der Menschheitsgeschichte, das uns durch seine bloße Erwähnung plötzlich einen Moment zurückruft, der noch nicht ganz vergangen ist. Trümmer des Dritten Reichs, noch deutlich sichtbar auf Jacobis Fotografien, bringen uns durch das Feuer und die Bäume hindurch eine Spur näher. Sie scheint inmitten dieses geschichtsträchtigen, blutgetränkten Ortes so klar, dass das Steingewirr sich in einen Fluss oder einen Grabhügel verwandelt: Es ist die Archäologie der Zeit, eine Epoche, die uns vor Augen geführt wird. Aber die Zeit bleibt nicht stehen, denn auf einem von Zivilisationsresten geprägten Raum entsteht ein neues Gebäude, an dessen Fuß ein brachliegendes Gelände Kinderbanden als Spielplatz dient.
In jedem Bild ist das Zeichen immer da: Es verblasst kaum, erscheint wieder, wächst, wird stärker – um dann erneut zu verschwinden. Es haucht diesen Fotografien Leben ein, sie beginnen zu atmen.
Ich überlasse es Peter Jacobi, zu behaupten, dass all diese Bilder nur durch seine Skulptur lebendig werden. Für mich jedoch haben sie einen eigenen Sinn, der nur ihnen gehört: Auch wenn ihre Konzeption mit seinem Werk verbunden ist und allein die Fotografie so treffend beschreiben kann, was Metamorphose ist. Etwas, das wie ein Dokument inventarisiert – das fotografische Bild, in Serien geschaffen, bringt eine Realität ans Licht, die trotz ihres Anscheins etwas anderes wird.
Die Räume in Peter Jacobis Fotografien sind bevölkert von den Geistern der Zeit, die seine Erinnerung wieder zum Leben erweckt hat.
Françoise Marquet
Konservatorin für Fotografie, 1984, im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris
Katalog des Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris
Ausstellung Ritzi Jacobi — Peter Jacobi Tapisserie Skulptur Fotografie, 1984